Cornelius-Winkler
Hube Kemper

betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Rechtsanwältin Recknagel

Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist die Beschreibung für eine Vielzahl von Maßnahmen, die dem Arbeitgeber offenstehen, um Menschen mit häufigen oder langen Arbeitsunfähigkeitszeiten die Rückkehr in den Betrieb zu ermöglichen und den Arbeitsplatz möglichst dauerhaft zu erhalten.
Durch die Regelung im Sozialgesetzbuch IX, dem Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, wird häufig angenommen, dass nur die schwerbehinderten Menschen in den Genuss ein solches Eingliederungsmanagements kommen können. Tatsächlich aber kann der Arbeitnehmer, der länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres (gerechnet vom ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit an) arbeitsunfähig ist, ein solches Eingliederungsmanagement verlangen. In Betrieben mit Arbeitnehmervertretungen (Betriebs- oder Personalrat, Schwerbehindertenvertretung) können auch diese Vertretungen die Einleitung eines sog. BEM verlangen und den Abschluss einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zum BEM fordern. Diese kann gesondert oder als Teil einer Integrationsvereinbarung vereinbart werden.
Alle Maßnahmen des BEM bedürften aber der Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers. Dies gilt umso mehr, als dass die Hauptaufgabe des BEM darin besteht, die Ursachen für die Arbeitsunfähigkeit aufzudecken, unabhängig davon, ob diese in betrieblichen oder persönlichen Umständen des Arbeitnehmers zu finden ist.
Soweit die persönlichen Umstände erforscht werden, geht es häufig um sensible Daten i.S.d. Datenschutzes, insbesondere um Gesundheitsdaten, die nur mit freiwilliger schriftlicher Einwilligung des Betroffenen erhoben werden dürfen.
Stimmt der Betroffene zu, nachdem er im sog. Erstgespräch darüber informiert wurde, welche Daten zur Durchführung des BEM erhoben werden, wie und wo diese gespeichert und aufbewahrt werden, kann die Maßnahmenplanung beginnen. Die Art und Weise, in der dies geschieht, ist je nach Größe des Betriebes sehr unterschiedlich.
Während im Kleinbetrieb der Arbeitgeber die Möglichkeiten, die ihm die gemeinsame Servicestelle der Sozialversicherung, die für ihn zuständige Unfallversicherung oder bei schwerbehinderten Menschen auch das Integrationsamt bietet, nutzt, existieren in größeren Betrieben die sog. Integrationsteams, in denen Beauftragte des Arbeitgebers zusammen mit Betriebs- oder Personalrat und der Schwerbehindertenvertretung ein Maßnahmenpaket entwickeln, dass von der Führung von Mitarbeitergesprächen über Arbeitsvertragsänderung hinsichtlich Arbeitszeit oder Arbeitsaufgaben bis hin zur Umschulung reichen kann. Im Idealfall erstellt das Integrationsteam einen Integrationsplan, beantragt die erforderlichen Fördermaßnahmen, kontrolliert die Einhaltung und Durchführung des Plans und bewertet abschließend den Erfolg des Eingliederungsmanagements.
Durch verschiedene Fördermöglichkeiten, insbesondere aber auch durch die Senkung der Fehlzeiten, Verbesserung der Arbeitsmotivation sowohl des Betroffenen als auch seiner Kollegen und die Schaffung einer vertrauensvollen Unternehmenskultur ist die Einrichtung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements entgegen der landläufigen Ansicht kein kostspieliges Unternehmen, sondern echtes Einsparpotential: Ford z.B. meldet eine Ersparnis von 1,7 Mio. € jährlich, seitdem dort im Jahre 2001 ein Integrationsteam tätig ist, dass mit leistungsgewandelten Mitarbeitern Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen entwickelt. Und wurde nebenbei mit dem Nationalen Preis für nachhaltige Gesundheitsmaßnahmen ausgezeichnet.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht hat zudem dazu geführt, dass in Betrieben, auf die das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, eine krankheitsbedingte Kündigung nur dort durchsetzbar ist, wo ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchführbar ist (etwa weil der Arbeitnehmer die Durchführung abgelehnt hat) oder offensichtlich undurchführbar ist, weil dem Leistungsvermögen des Mitarbeiters entsprechende Arbeitsplätze auch nach zumutbarer Umorganisation nicht vorhanden sind. Dies ist aber vom Arbeitgeber detailliert darzustellen und zu beweisen. So ist die Durchführung des BEM zwar kein formelles, aber ein materiell-inhaltliches Wirksamkeitserfordernis für die krankheitsbedingte Kündigung.
Bärbel Recknagel