Cornelius-Winkler
Hube Kemper

Mobbing

Zunächst ist festzuhalten, dass „Mobbing“ kein rechtlicher Begriff ist, sondern Tatsachen umschreibt. Juristisch wird daher das als Mobbing bezeichnete Verhalten darauf hin zu untersuchen sein, ob arbeitsvertragliche Pflichten verletzt sind. Nur auf derartige Pflichtverletzungen können Unterlassungs-, Einwirkungs-, Entschädigungs- oder Schadenersatzansprüche gestützt werden.
In der Lebenswirklichkeit sind die Erscheinungsformen des Mobbings vielgestaltig. Juristisch angreifbar werden sie, wenn “fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen (so die Definition des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2001 - 5 Sa 102/2000 u.a.) oder, wie das  Bundesarbeitsgericht vom 15. Januar 1997 - 7 ABR 14/96) definiert, das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.
Rechtlich betrachtet geht es damit zunächst um die Qualifizierung eines bestimmten Gesamtverhaltens als Verletzungshandlung im Rechtssinne. Die Zusammenfassung der einzelnen Verhaltensweisen erfolgt dabei durch die ihnen zugrunde liegende Systematik und Zielrichtung, Rechte und Rechtsgüter - im Regelfall das Persönlichkeitsrecht und/oder die Gesundheit des Betroffenen - zu beeinträchtigen. Ansprüche insbesondere auf Unterlassung und Entschädigung setzen die Verletzung sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebender Pflichten voraus. Wird diese nicht vom Arbeitgeber selbst verwirklicht, muss ihm die Handlung seiner Organvertreter oder Beauftragten zurechenbar sein.
Wesensmerkmal der als Mobbing bezeichneten Form der Persönlichkeitsrechtsverletzung ist die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen zusammensetzende Verletzungshandlung, wobei den jeweiligen Einzelhandlungen bei isolierter Betrachtung eine rechtliche Bedeutung oft nicht zukommt.
Die Frage, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt ist, ist auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmersaktiv tätig zu werden, erfordert grundsätzlich kein Eingreifen bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzten über Sachfragen wie Beurteilungen, Inhalt des Weisungsrechts, Bewertung von Arbeitsergebnissen. Dies gilt auch dann, wenn der Ton der Auseinandersetzung die Ebene der Sachlichkeit im Einzelfall verlassen sollte, jedoch Anhaltspunkte dafür, dass die Meinungsverschiedenheit über das im Arbeitsleben sozial Übliche hinausgeht, nicht vorliegen. Vor dem Hintergrund, dass der Umgang von Arbeitnehmern untereinander und mit Vorgesetzten im Arbeitsalltag zwangsläufig mit Konflikten verbunden ist, können keine überspannten Anforderungen an Inhalt und der Reichweite der Schutzpflicht gestellt werden.
Zu berücksichtigen ist dabei, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, derartige rechtliche Tatbestände zu erfüllen. Diese bleiben auf Grund einer objektiven Betrachtungsweise, dh. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers folgenlos. Weisungen, die sich im Rahmen des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts bewegen und denen sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lässt, dürften nur in seltenen Fällen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. Gleiches kann für den Rahmen des Direktionsrechts überschreitende Weisungen gelten, denen jedoch sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zugrunde liegen. An der verschiedene einzelne Handlungen zusammenfassenden Systematik kann es darüber hinaus fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinander folgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird oder wenn die Arbeitsleistung - wie es bei dem Kläger der Fall war - nicht nur kritisiert oder ignoriert, sondern ausdrücklich gleichermaßen auch positiv gewürdigt wird. Ebenfalls können Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten nicht in die Prüfung einbezogen werden, die lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich gemobbten Arbeitnehmer darstellen. Insoweit fehlt es an einer eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation.
Ob das Persönlichkeitsrecht im Einzelfall verletzt ist, lässt sich nur auf Grund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer Würdigung aller Umstände beurteilen , da das Persönlichkeitsrecht ein sog. offenes Recht ist. Die Rechtswidrigkeit muss durch Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall festgestellt werden. Dabei ist zunächst zu fragen, ob der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers gegenübersteht und dann, ob das Persönlichkeitsrecht deutlich überwiegt. Hiergilt im Wesentlichen bereits das oben Gesagte, insbesondere werden Maßnahmen des Arbeitgebers dann durch ein grundsätzlich schutzwürdiges Interesse motiviert sein, wenn ihnen sachliche Erwägungen zugrunde liegen. Dies kann unter Umständen auch bei rechtswidrigen Maßnahmen, zB rechtswidrigen Weisungen, der Fall sein.
Ein Entschädigungsanspruch wegen eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht setzt weiter voraus, eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, was von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund sowie Grad des Verschuldens abhängt. Ausserdem muss sichergestellt sein, dass die Beeinträchtigung nach der Art der Verletzung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann.
Heinrich Kemper

Rechtsanwalt Kemper